Heute Nacht habe ich von Jamie Oliver geträumt. Hat mir Pasta gekocht. Getrocknete Tomaten, Kapern, sowas. Und Salz. Hier eine seltene Erde. Das Jetzt: am Tisch Aufschnitt und 4 Menschen. Thema: Corona. Handys raus, wie auf Kommando. Corona Warn-App. Alle rot, seit Tagen. Anreisen, anstecken, anreisen, anstecken, anreisen, anstecken. The name of the game.
Die Frau mir gegenüber bastelt. Knäckebrot, 5 mal 12 Zentimeter. Margarine. Zwei Scheiben Käse, eine Scheibe Lyoner. Dann Senf. Akkurat verstreichen. Dann wieder Lyoner. Lyoner ist rund. Deshalb: Sie knabbert die Wurst zum Viereck. Passend zum Brot. Die Quadratur des Aufschnitts. Rundes Knäckebrot gibt es nicht. Ich beobachte. „Darf ich mir die Bastelanleitung notieren?“ Fragezeichen über dem Kopf. „Oder gibst du mir das Rezept?“ Humor ist hier unterrepräsentiert. Sie lächelt. Vermutlich zum ersten Mal heute. Und vielleicht zum Letzten. „Nur so schmeckt es eben!“ Ich gönne ihr das.
Niemand geht darauf ein. Corona regiert. Ein alter Mann erzählt von früher. Klar. Von später weiß er nix, wie denn auch? Sein Vater hat immer gesagt, was dich nicht umbringt, härtet dich ab. Mein Blick. Zurück. Zum Mittagessen. Pasta. Die erbärmlichste Pasta in der Geschichte der Nudel. Ob er das meint? Eher nicht. Er meint Corona. Das Knäckebrot knäckt nicht mehr.
„Ich möchte nie mehr an der Beatmungsmaschine hängen. Nie“. Sie dreht sich zu Ihm. Schweigen. Dann zu mir. „Nie mehr.“ Die Augen sind feucht. Spaß ist vorbei. Dann erzählt sie. Und erzählt. Aufgewühlt. Von Tagen auf der Intensiv. Und Nächten. Von Pflegepersonal, den Geräuschen der Geräte, dem Tod. „Und wenn es einer nicht schafft, schieben sie ihn raus.“ Und einen Neuen rein. Vermutlich. Der alte Mann neben ihr. Kein Wort. Scham. Einsicht vielleicht. Immerhin. Sie steht auf, verbirgt die Erinnerung. Hinter ihrer Maske. Die Tränen nicht. Eine Frau quält ihr Sauerstoffgerät durch den Flur. Der Rollator quietscht.
Was uns nicht umbringt, macht uns schwach.
Marktlücke rundes Knäckebrot? Reha-Edition.